Zunächst begrüßten Herr Wolfgang Demmel, Vorsitzender des
Gemeinderats, und Bürgermeister Rainer Seibold
die interessierten Erzhäuser. Ganz besonders begrüßten sie den
Bürgermeister von Mnichovo Hradiste,
Arnost Vajzr,
seinen Stellvertreter Jiri Bina, und die reizende Dolmetscherin
Hanna.
In der Kirche gab Herr Volker Jonas
einen Abriß über die Geschichte der Erzhäuser Kirche. Er berichtete,
dass das Fundament in der Nordost-Ecke unserer Kirche bereits 1100
Jahre alt ist. Das bedeutet, bereits vor mindestens 1100 Jahren
beteten Menschen in dieser kleinen Kirche, und damit wird klar, dass
Erzhausen wesentlich älter ist als 750 Jahre!
Der Organist der Orgel in unserer
Kirche, Dr. Hendrik van Hees, berichtete über
die Geschichte unserer Orgel und spielte den Besuchern ein Stück auf
der Orgel vor:
Herr Demmel bedankte sich bei Herrn
Jonas für die interessante Einführung in die Geschichte der Kirche:
Das nächste Ziel des Rundganges war
das wunderschön restaurierte Fachwerkhaus der Familie Scarpetta:
Im großen Innenhof berichtete Hans
Schmidt vom Ortskundlichen Arbeitskreis über das Leben
der Erzhäuser in früheren Zeiten. Er erzählte, dass in Erzhausen nur sehr kleine Häuser
gebaut worden waren, da die Menschen hier über lange Zeiten in sehr
ärmlichen Verhältnissen lebten.
Während seiner Ausführungen wurde
Hans Schmidt genau beobachtet von einem richtigen "Dachhasen":
Vom Fachwerkhaus der Familie
Scarpetta ging es dann zur alten Schillerschule.
Im Schulhof der Schillerschule
erzählte Günter Becker auf humorvolle Weise
Geschichten aus der guten alten Zeit, die ja gar nicht so gut
gewesen war.
Weiter ging es danach zum Kelterhaus
in der Weihergasse, wo Herr Gerhard Obst vom Obst- und
Gartenbau-Verein über das Kelterhaus und über die Möglichkeiten, es
zum Herstellen von Obstsäften zu nutzen, informierte. Hans Schmidt
berichtete anschließend darüber, wie die Weihergasse ihren Namen bekommen
hat: früher gab es auf dem Grundstück gegenüber dem Kelterhaus in
der Tat einen Dorf-Weiher, der aber schon lange verschwunden ist.
Aber noch heute fließt unter der Weihergasse hindurch der
Weihergraben.
Der nächste Halt war in der
Bahnstraße, dem "Gässelche". Hier kam wieder Günter Becker zum
Zuge. Er erzählte Anekdötchen und Geschichten der Menschen hier in
der kleinen Gasse, wo noch viele der ältesten und kleinsten
Häuser Erzhausens stehen. Die meisten Häuser waren nicht
unterkellert. Ausserdem erfuhr man auch etwas über die
"Utznamen" der alten Erzhäuser.
Der Weg führte nun durch die
Bahnstraße, vorbei an der Bäckerei Keller,
zu dem kleinen Plätzchen vor dem Fotostudio Niesik in der Bahnstraße
40.
Dort warteten bereits eine kleine
Gruppe von Erzhäusern auf die Teilnehmer des Rundganges. Denn hinter
dem Fotostudio steht seit Anfang des 19. Jahrhunderts das Haus des
ersten Erzhäuser Arztes Dr. Theodor Spiro. Hier sollte eine
Tafel zum Gedenken an den sehr beliebten Arzt enthüllt werden.
Die langgezogene Kette der
Rundgangsteilnehmer nähert sich.
Alte Freunde begrüßen sich: Heinz Weber und der Bürgermeister von
Mnichovo Hradiste, Arnost Vajzr.
Die Rede
von Bürgermeister Rainer Seibold bei der Enthüllung der
Gedenktafel |
Diese Tafel, die ich enthüllt habe,
soll an Dr. Theodor Spiro erinnern. Er war der erste Arzt in
Erzhausen. Er lebte und praktizierte im Haus Bahnstraße 40
von 1901-1935. Aus
überlieferten Aussagen von Ortsbürgern wissen wir, dass er
wegen seiner fachlichen Kompetenz und menschlichen
Qualitäten ein außerordentlich beliebter Arzt war. Kinder
müssen den „Schokodoktor“ ganz besonders geliebt haben. Er
hatte manchmal für sie eine Süßigkeit in der Tasche. Das war
damals etwas ganz Besonderes.
Dr. Spiro war mit einer Erzhäuserin
verheiratet – was auch zu seiner Ortsverbundenheit beitrug.
Ja, er war mit Erzhausen verbunden, einem damals armen
Arbeiter- und Bauerndorf. Er blieb als Dorfarzt hier, obwohl
sein mit höchster Auszeichnung, mit suma cum laude,
bestandenes Examen ihm eine sehr einträgliche
wissenschaftliche oder ärztliche Karriere eröffnet hätte. Er
war halbjüdischer Abstammung, konvertierte aber als Student
zum Protestantismus. Er wurde hier getraut, seine Kinder
wurden hier getauft und konfirmiert. Ein Sohn wurde
evangelischer Pfarrer. Diese Tatsachen sind wichtig, um das
Weitere, Unfassbare begreifen zu können.
Sein Sohn Erich schreibt in
nachgelassenen Erinnerungen sinngemäß: „obwohl wir in
Erzhausen mehr oder weniger als Christen aufwuchsen, waren
wir mit der Ankunft Hitlers plötzlich Juden. Die Einwohner
von Erzhausen konnten nicht |
begreifen, dass
der beliebte Dr. Spiro nicht mehr als ,Deutscher‘ erwünscht
war“. Bereits drei Monate
nach der Machtübernahme der Nazis in Erzhausen strich ihm
der Gemeinderat eine Zuwendung für die Behandlung der
Ortsarmen. Von weiteren Diskriminierungen gibt es nur
Überlieferungen von Zeitzeugen. Angesichts der
Meinungsdiktatur wagte vermutlich auch niemand für ihn
öffentlich Partei zu ergreifen. Ein Sohn konnte nach USA,
ein anderer nach Frankreich emigrieren. Der Dritte Sohn
konnte sich nach dem Tod des Vaters mit Hilfe eines
Ortbürgers in Bremerhaven nach USA einschiffen.
Diese Tafel soll sowohl an die
verdienstvolle Tätigkeit Dr. Spiros als auch an die offene
und verdeckte Diskriminierung erinnern, die, wie Erich Spiro
schrieb, „zum Ende der Familie im Reich“ führte.
Diese Tafel soll aber auch bewusst
machen, dass auch heute in diesem demokratischen Land
Menschen wegen ihrer Herkunft und Hautfarbe diskriminiert
werden. Begegnen wir diesen Menschen auch hier in Erzhausen
mit Toleranz, Offenheit, Wertschätzung und Hilfe. Das sind
wir uns als Bürger schuldig, die wir das Privileg haben in
der friedlichsten, demokratischsten Gesellschaft aller
Zeiten in Deutschland zu leben. |
Die Leiterin der Hessenwaldschule,
Ute Simon-Nadler, und zwei Lehrerinnen und
zwei Lehrer brachten
ergreifende Lieder zu Gehör. Das letzte Lied "Sag mir, wo die Blumen
sind" hat die Zuschauer sehr ergriffen.
Wolfgang Demmel enthüllt die
Gedenktafel.
Zwei in Amerika lebende Enkel
von Dr. Spiro, Ted und Anna, waren extra zur
Enthüllung der Gedenktafel und zur 750-Jahr-Feier aus Amerika
angereist.
Ted Spiro und seine Schwester Anna
bedankten sich für die Ehrung ihres Großvaters: |
Zwei Mitglieder der Familie Dr. Spiro, meine Schwester Anna
und ich, sind heute anwesend bei der Feier des 750.
Jahrestages von Erzhausen.
Anwesend sind auch unsere Erzhäuser Familienmitglieder:
meine Kusine Anne Katzenmayer, Willi und Irmgard Breidert,
sowie Kinder und Enkelkinder. Meine Schwester Dr. Anna Spiro
und ich, Dr. Theodor Spiro, danken im Namen aller Mitglieder
der Familien Spiro. Ich danke Ihnen für die Ehre, die Sie
Dr. Theodor Spiro (meinem Großvater) geschenkt haben. Einige
von Ihnen kennen vielleicht nicht Details seiner
Lebensreise. Ich möchte Ihnen diese Informationen gerne
mitteilen.
Dr. Spiro wurde 1864 in Breslau (Schlesien) geboren. Heute
heißt die Stadt seiner Geburt Wroclaw (Polen). Er besuchte
das Gymnasium Magdalena, wo er ein ausgezeichneter Schüler
war. Anschließend studierte er Medizin in München mit
Abschluss "summa cum laude". Vor über 100 Jahren,
im Jahre
1901, kam er nach Erzhausen und eröffnete seine
Hausarztpraxis. Zuvor hatte er bereits in Merzalban
(Rheinland-Pfalz) und in Frankenau (Hessen) praktiziert. |
In Erzhausen traf Dr. Spiro eine junge Frau aus dem Ort,
Anna Maria Augusta Pohl. Sie heirateten im Jahr 1902 und
hatte vier Kinder, Hans geboren 1902, Kurt, geboren 1904,
Erich 1909 und Karl Theodor 1912. Theodor und Anna lebten
zusammen für den Rest ihres Lebens in Erzhausen. Anna starb
im Jahre 1932, und Theodore im Jahr 1935.
Was wurde aus ihren vier Söhnen? Ihr zweites Kind Kurt starb
1928 an Tuberkulose. Hans und Erich machten ihren Abschluss
zum Doktor der Medizin an Universitäten in Deutschland und
wanderten dann in die Vereinigten Staaten aus, wo sie als
Mediziner praktizierten. Theodore, der jüngste der vier
Brüder, war Pfarrer der Reformierten Evangelischen Kirche in
Frankreich.
Auch im Namen meiner Schwester Anna und mir möchten wir
uns für die besondere Ehre für unseren Großvaters sehr
herzlich bedanken. |
Ted und Anna erhielten zur Erinnerung
ein Fest-T-Shirt überreicht:
Jetzt ging es aber zum Rathaus, wo
der Ortskundliche Arbeitskreis zur Erinnerung an den 750. Geburtstag
von Erzhausen eine Erinnerungsstele hatte aufstellen lassen. Diese
Stele soll nicht nur an die 750-Jahr-Feier erinnern, sondern auch
bewußt machen, dass es den Menschen heute in Erzhausen so gut geht
wie noch nie zuvor in der Geschichte Erzhausens. Deshalb soll diese
Stele auch nicht nur ein Denkmal sein, sondern ein "Dankmal", wie es
Hans Schmidt ausdrückte.
Schüler der Hessenwaldschule
umrahmten musikalisch die Enthüllung der Stele. Unter anderem
sangen sie die selbst gedichtete und komponierte neue "Erzhäuser
Hymne", die großen Beifall fand.
Hier sind wir gebor’n und
laufen durch die Straßen.
Kenn die Gesichter, jedes Haus und jeden Laden.
Wir gehen nicht weg, denn jedem hier ist bekannt,
dem Vergleich mit Erzhausen hält kein andrer Ort stand.
Rom ist zu alt, die Emirate heiß,
Peking versinkt im Smog , was jeder weiß.
Mallorca nervt mit Ballermann,
Venedig ertrinkt bald durch Kreuzfahrtwahn.
Wir können Weltenbummler einfach nicht verstehn,
denn keiner wollte bisher nach Erzhausen gehn’.
Drum laden wir die Globetrotter heute ein,
zu Gast im schönsten Ort der Welt zu sein.
Wir wohnen in Erzhausen und Erzhausen ist schön,
Das kannst Du bei der Ankunft schon am Bahnhof sehn..
Ein jeder der hier weilte, sagt gewiss:
Erzhausen ist das Paradies.
Die Sonne brennt zu heiß: ein Eis gibt’s gleich am
Bahnhof,
wenn kalte Winde wehn kannst du zur Sauna gehn.
…wandern dann…, durch Wiesen und im Wald,
Zur Spargelzeit, treffen Gourmets sich hier schon bald! |
Wenn du dich dann ins Bürgerhaus bemühst
dich Reiner Seibold mit Kaffee begrüßt
Zum Übernachten brauchst Du kein Hotel,
ein Gästezimmer finden wir sehr schnell.
Rom ist zu alt,
die Emirate heiß,
Peking versinkt im Smog , was jeder weiß.
Mallorca nervt mit Ballermann,
Venedig ertrinkt bald durch Kreuzfahrtwahn.
Wir wohnen in Erzhausen und Erzhausen ist schön,
Das kannst Du bei der Ankunft schon am Bahnhof sehn..
Ein jeder der hier weilte, sagt gewiss:
Erzhausen ist das Paradies.
Wir wohnen in Erzhausen und Erzhausen ist schön,
Das kannst Du bei der Ankunft schon am Bahnhof sehn..
Ein jeder der hier weilte, sagt gewiss:
Erzhausen ist das Paradies.
Hier sind wir gebor’n und laufen durch die Straßen.
Kenn die Gesichter, jedes Haus und jeden Laden.
Wir gehen nicht weg, denn jedem hier ist bekannt,
dem Vergleich mit Erzhausen hält kein andrer Ort stand. |
Nach Ansprachen von Hans Schmidt (Ortskundlicher
Arbeitskreis), Wolfgang Demmel (Vorsitzender
der Gemeindevertretung) und Bürgermeister Rainer Seibold wurde die
Stele enthüllt.
Das "Dankmal" wird enthüllt.
Auch die Kinder und Jugendlichen, die
am Rundgang teilgenommen
hatten, wollten nach der Enthüllung mit auf das Gruppenbild.
Diese Generation wird noch die 800-Jahr-Feier erleben!
Den Abschluß bildete eine Rast im
Feuerwehrgerätehaus der Freiwilligen Feuerwehr Erzhausen. Das DRK,
Ortsgruppe Erzhausen, servierte einen großartigen Erbseneintopf umd
belegte Brötchen, dazu
gab es auf Wunsch ein leckeres Bierchen oder andere Getränke.
Noch war die Halle leer -
aber dann strömten die Gäste herein und schnell waren die Tische
besetzt.
Übung macht den Meister!
Hmm - lecker! Das hat
Allen super gut geschmeckt!
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