Keltern am Kerbmontag
Das Kelterhaus des OGV
14. September 2020

(Fotos: Gerhard Obst und Georg Weber)

 

Artikel von G. Weber im Erzhäuser Anzeiger vom 15. Oktober 2020:

Das Erzhäuser Kelterhaus

(gw) Wer am diesjährigen Kerbmontag, einem der höchsten Erzhäuser Feiertage, durch die „Weihergass" gekommen war, staunte vermutlich sehr: im Kelterhaus des Vereins für Obst-, Haus- und Kleingärten Erzhausen (OGV) wurde gearbeitet. Der erste Vorsitzende Gerhard Obst selbst war mit dem Keltern großer Mengen von Äpfeln beschäftigt.  Das muss man aber verstehen: der Herbst ist die Zeit des Kelterns, und da muss man jeden Tag nutzen!

Das Keltern hat im OGV eine lange Tradition. Schon im Jahre 1925 haben Mitglieder des damaligen OGV auf einem von der Gemeinde gepachteten Grundstück in der „Weihergass“ in Gemeinschaftsleistung das Kelterhaus errichtet. Mit den bereits im Jahre 1923 auf Kredit angeschafften Geräten, einer Obstmühle und einer gebrauchten (manuell betätigten) Obstpresse wurde der Kelterbetrieb aufgenommen. Seitdem ist das Kelterhaus des OGV zur Apfelerntezeit zu einer viel frequentierten Einrichtung geworden.

Etwa in den Jahren 2014/2015 wurden Bedenken laut wegen der aus heutiger Sicht unzureichenden Ausstattung des Kelterhauses, auch hinsichtlich der hygienischen Verhältnisse. Der erste Vorsitzende Gerhard Obst begann umgehend mit den Planungen für ein neues Kelterhaus, in dem beispielsweise die Innenwände bis zur Decke gefliest sind. Mit dem Neubau wurde im Jahre 2016 begonnen, und noch zum Beginn der Keltersaison 2016 war das neue Kelterhaus des OGV fertig  und konnte in Betrieb genommen werden.

Die vorhandenen Geräte wurden vollständig übernommen, verschiedene verbesserte Gerätschaften, zum Beispiel eine moderne Heißwasserversorgung, kamen neu hinzu. Das neue Kelterhaus wurde von Mitgliedern des OGV vollständig in Eigenregie und Eigenhilfe geplant und aufgebaut! In dieser Form und Ausstattung erfüllt das neue Kelterhaus die Anforderungen an Hygienevorschriften und bietet auch eine ausreichende Kapazität für die in Erzhausen anfallenden Apfelmengen.

Von Mitte August bis Ende Oktober gibt es rund 35 Keltertermine, die von Keltermeister Guido Pfeil geplant und organisiert werden. Nicht nur der OGV selber, auch Privatleute können ihre Äpfel keltern. Sie werden von Guido Pfeil eingewiesen, und  wenn sie  ihr Obst gekeltert haben, müssen sie

das gesäuberte Kelterhaus so verlassen, wie sie es vorgefunden haben.

In der ganzen Keltersaison des Jahres 2020 werden wegen der guten diesjährigen Ernte voraussichtlich etwa 80 Zentner (also etwa 4 Tonnen!) Äpfel gekeltert werden. Vom OGV selber werden etwa 30 Zentner gekeltert, 18 Zentner (900kg) davon kommen von den Streuobstwiesen, weitere 12 Zentner (600kg) werden dem OGV von Privatleuten (meist OGV-Mitglieder) gespendet. Diese insgesamt etwa 30 Zentner Äpfel ergeben für den OGV etwa 1000 bis 1200 Liter Apfelsaft, der pasteurisiert in die bekannten 3 bzw. 5 Liter Standard-Behälter abgefüllt wird.  Und für die Liebhaber des „Stöffsche“ werden rund 800 Liter Apfelwein hergestellt.

Die Differenz zwischen den 30 Zentnern des OGV und der Gesamtmenge von 80 Zentnern, also rund 50 Zentner, werden von Privatleuten gekeltert (der größte Teil des hier gewonnenen Apfelsaftes wird wahrscheinlich zu Apfelwein weiterverarbeitet). Vor allem hier wird die große Bedeutung des Kelterhauses für die Erzhäuser sichtbar und deutlich.

Aus dem Trester besonders reifer und süßer Äpfel gewinnt der OGV zusätzlich etwa 15 Liter „Apfel-Grappa", der von der Brennerei Göbel in Reinheim destilliert wird (der dabei anfallende Vorlauf wird übrigens zum Desinfizieren beispielsweise des Auslassventils der Saftboxen verwendet). Für diesen „Apfel-Grappa“ gibt es viele Liebhaber unter den Erzhäusern.

Schon in der Vergangenheit wurde der Wunsch geäußert, auch Trauben zu keltern. Der OGV hat nun eine gebrauchte, aber gut erhaltene Traubenmühle angeschafft, so dass in Zukunft auch Trauben gekeltert werden können.

Den Mitgliedern des OGV soll an dieser Stelle einmal gedankt werden für die viele Arbeit, die sie für die Allgemeinheit leisten, wie zum Beispiel das alljährliche Kelterfest an der Grillhütte, das Kartoffelpflanzen und Ernten mit den Kindergartenkindern und auch die Bereitstellung der Keltermöglichkeit im neuen Kelterhaus. Das Erzhäuser Kelterhaus ist für viele Erzhäuser zu einer wichtigen, identitätsstiftenden Einrichtung geworden.

 

Die Geschichte des Erzhäuser Kelterhauses beginnt vor 95 Jahren. Im Jahre 1925 verhandelten die Vorstandsmitglieder des damaligen OGV mit der Gemeinde Erzhausen den Plan, ein Kelterhaus zu bauen. Die Gemeinde stimmte dem Plan zu. In der Weiherstraße pachtete die Gemeinde ein kleines Grundstück für den Bau, der OGV verpflichtete sich, einen Beitrag in Höhe von 500 Reichsmark zu den Baukosten zu leisten. Der OGV war zuständig für alle praktischen Fragen wie z.B. laufende Kosten und Reinigung beim Keltern. Wesentlicher Bestandteil des Vertrages war auch, dass alle Erzhäuser Bürger ihre Äpfel keltern dürfen.
 
Vertrag vom 15. August 1925:
(leider fehlen in dieser Kopie die Unterschriften)

Gerhard Obst hat den Vertrag, der in der damals gebräuchlichen Sütterlin-Schrift
verfasst worden war, mit etwas Mühe in unsere heutige Schrift "übersetzt":
(hier sind die Namen der Unterzeichner mit angegeben!)

 


Als das Kelterhaus etwa 90 Jahre alt geworden war, in den Jahren 2014 bis 2015, wurden mehr und mehr Bedenken laut hinsichtlich der baulichen, technischen und hygienischen Ausstattung des Kelterhauses. Nach umfangreichen Planungen und Verhandlungen wurde deshalb im Februar 2016 mit dem Abriss des alten und dem Bau eines neuen Kelterhauses begonnen:
 

So sah es noch vor dem Neubau im alten Kelterhaus im Oktober 2009 aus:
(v.l.n.r.: der Nachbar Jürgen Katzenmayer mit Tochter, Keltermeister Guido Pfeil, erster Vorsitzender Gerhard Obst)


Am 23. Februar 2016 wurde mit den Neubau-Arbeiten begonnen. Zunächst musste das Kelterhaus leer geräumt werden.
So sah es von außen kurz vor Beginn der Arbeiten noch aus:
 

Auch damals zierte dieses schmiedeeiserne "Kelter-Haus" die Vorderwand:
 

Dann wurde aber umgehend mit dem Abriss des alten Gebäudes begonnen:
(Die folgenden Bilder machen deutlich: alle Arbeiten wurden in Eigenhilfe erledigt!)

 


Im April 2016 begannen dann die Arbeiten zum Bau des neuen Kelterhauses:
 


Richtfest am 8. Juli 2016
 

Hier sitzen die Richtfest-Gäste beisammen, bei einem Glas Sekt? Bei einer Flasche Bier?
Nein, nein, natürlich wird da selbstgekelterter Apfelsaft getrunken!

Heinz Schwertner mit dem Richtspruch:


Innenausbau und Installation aller Gerätschaften:
 

Gefliest bis unter die Decke!

Verfugen:


Im Oktober 2016 wurde nach nur einem halben Jahr Bauzeit bereits wieder gekeltert:


 

Das hübsche schmiedeeiserne Namensschild gibt es auch noch!


Besuch im Kelterhaus an Kerbmontag, 14. September 2020:

Dieser Besuch hatte sich eigentlich nur zufällig ergeben, denn es war Kerbmontag, wie gesagt ein sehr hoher Erzhäuser Feiertag, und dem Fotografen war aufgefallen, dass im Kelterhaus gearbeitet wurde. Klar, da mussten ein paar Fotos gemacht werden, und Gerhard Obst erzählte von der Geschichte des Kelterhauses. Das fand der Fotograf sehr interessant, und so entstand aus diesem Besuch im Kelterhaus dieser Bericht!
 

Nanu, die Tür steht offen? Was geht da vor?

Freundliche Einladung:
Komm nur rein! Guck dir mal alles an!


Ja, und dieser Anblick bot sich dem Fotografen beim Betreten des Kelterhauses:
Das sieht nach Arbeit aus!
 

Die Saftpresse wird vorbereitet:
 

Die gesäuberten Äpfel werden in die Obstmühle gefüllt:

Die zermahlenen Äpfel werden in die Saftpresse gefüllt:

Reichlich Saft kommt aus der Presse heraus, der Keltermeister prüft den Geschmack: perfekt!

Zum Pasteurisieren wird der frisch gepresste Apfelsaft in den Behälter gefüllt, in dem er sehr
schnell auf eine hohe Temperatur erhitzt, und dann aber auch schnell wieder abgekühlt werden kann:

Die "Ausbeute" des heutigen Tages:
30 x 3 Liter und 13 x 5 Liter = 155 Liter Apfelsaft
Nach obiger "Saftausbeute"-Regel mussten dafür also rund 5 Zentner Äpfel gekeltert werden!
(die Beutel werden zum Abkühlen auf die Regalbretter gelegt, nach
dem Abkühlen kommen sie dann noch in die bekannten Papp-Boxen)


Arbeit machen auch die anschließenden Reinigungsarbeiten, zum Beispiel das Entleeren und Reinigen der Presse:
 


Der Trester wird nach draußen gebracht, er kann als Viehfutter verwendet werden:
 
 

Das war in diesem Jahr noch lange nicht der letzte Keltertag. Noch bis mindestens Ende Oktober wird der OGV noch den einen oder anderen Keltertag einlegen, und auch einige Privatleute werden ihre Äpfel ins Kelterhaus zum Keltern bringen. Seit nunmehr 95 Jahren ist das Kelterhaus des OGV eine sehr beliebte und sehr nützliche Einrichtung, die von der Erzhäuser Bevölkerung in großem Umfang genutzt wird!